Orakelcoaching in ganzheitlicher Therapie

Beispiel III

Psychotherapie, Tarot und Astrologie Erlangen

Schicksal des I Ging

Psychotherapie, Tarot und Astrologie Erlangen

Und hier noch etwas für die Fortgeschrittenen unter den Liebhabern des I GING. Hier möchte ich das Schicksal des I GING selbst beleuchten.

Ihre Frage: Welche besondere Beziehung besteht zwischen der Allgemeinheit der Menschen und diesem zeitlosen Orakel?

Antwort: Hexagramm #60 DIE BESCHRÄNKUNG mit Wandellinie 1, sodass sich als Wandlungshexagramm #29, DAS ABGRÜNDIGE ergibt.

Diese Antwort möchte ich hier so analysieren, dass man einen Einblick in die komplexe Vielschichtigkeit des I GING gewinnt. Dabei müssen wir uns der Bildsprache der Symbole bedienen und quasi aktiv imaginierend in ihnen herumwandern und schauen, wo sie uns hinführen. Beginnen wir zunächst mit der äußersten Ebene der Interpretation. (Diese Zeilen von Richard Wilhelm kennen wir teilweise schon von Beispiel 1)

Traditionelle Deutung nach Richard Wilhelm:

Naturbild

Oberhalb des Sees ist Wasser:
Das Bild der BESCHRÄNKUNG.
So schafft der Edle Zahl und Maß
und untersucht, was Tugend und rechter Wandel ist.

Wilhelm entwirft das Bild eines kleinen, im Tal gelegenen Sees, der einladend in der Sonne glitzert, während über ihm schwere Regenwolken aufziehen. Obwohl See und Wasser einander verwandt sind, hat der See doch eine a priori BESCHRÄNKTE, definierte Größe, während das Wasser, das nun auf ihn herunterprasselt, grundsätzlich unbegrenzt ist. Normale Regenschauer erfrischen und bereichern den See, doch angesichts seiner geringen Aufnahmekapazität steht ein Überschwemmungsrisiko im Raum: Wo es sintflutartig gießt, wird der See über seine Ufer treten, dabei jegliche Heiterkeit verlieren und für seine Umgebung destruktiv werden. Man sollte es also besser nicht so weit kommen lassen! Wenn die Harmonie gewahrt bleiben soll, braucht diese Situation wohlbedachte Zurückhaltung und ein feines Gespür für die natürlichen Grenzen und das gute Maß.

Urteil

BESCHRÄNKUNG. Gelingen.
Bittere BESCHRÄNKUNG darf man nicht beharrlich üben.

Dieser Text qualifiziert die notwendige BESCHRÄNKUNG mit dem Etikett „Gelingen“ explizit als sinnvoll und förderlich. Wobei diese Aussage gleich wieder relativiert wird: Ja, BESCHRÄNKUNG ist gut, aber bitte nicht zu viel davon, auch im Schrankensetzen sind Maß und Ziel ausschlaggebend. Etwas Lebendiges und Authentisches massiv zu unterdrücken wäre zweifellos eine kontraproduktive bittere BESCHRÄNKUNG. So wird wieder zu Vorsicht gemahnt: Hier könnte etwas schief gehen, wenn man leichtfertig drauflos agiert! Hier muss man sehr achtsam, feinfühlig und diszipliniert vorgehen.

Wandellinie

Nicht zu Tür und Hof hinausgehen
ist kein Makel.

Die Wandellinie unterstreicht den bisherigen Eindruck noch einmal. Dass es die unterste Linie ist, die sich hier von Yang zu Yin wandelt, zeigt, dass die Gesamtentwicklung zwar noch in den Kinderschuhen steckt, dass aber auch noch keine Fehler gemacht wurden. Der Aufruf zur Zurückhaltung wiederholt sich: Noch ist es nicht an der Zeit, die Initiative zu ergreifen und Schwellen zu überschreiten. Es macht noch keinen Sinn, seine Wahrheit in die Welt hinauszuposaunen, und man versäumt nichts, wenn man schweigt, daheimbleibt und wartet. Bisher kann man nur aufmerksam aus dem Fenster schauen und die Entwicklung beobachten…

Was sagt uns das nun alles in Bezug auf unsere Frage? Nun, das I GING ist gewissermaßen ein gefährliches „heißes Eisen“, das mit viel Bedacht zu den Menschen gebracht werden will, im großen Stil ist dafür definitiv noch nicht die Zeit. Zuerst einmal steht der menschlichen Gesellschaft eine Zeit des ABGRÜNDIGEN ins Haus (Wandlungshexagramm #29), in der sie ihren inneren Dämonen begegnet und lernt, irrationale Ängste zu meistern…

Deutung des Beziehungsaspekts

Wenn wir uns nun genauer mit der besonderen Beziehung von I GING und kollektiver Allgemeinheit, bzw. von Wasser und See befassen, können wir noch tiefer in den Sinn dieser Antwort eintauchen:

In jedem Hexagramm begegnen sich zwei von acht Urelementen, eines davon ist oben, das andere unten positioniert, sodass eine Art räumlicher Staffelung, Rangordnung oder Hierarchie entsteht. In Hexagramm #60 ist die Situation oben und außen von Wasser bestimmt, innen und unten von See. Man könnte sagen: Wasser führt, See folgt.

Veranschaulicht werden die Urelemente einerseits durch Naturphänomene, andererseits durch die Mitglieder der archetypischen Familie. Die Beziehung der Naturerscheinungen hat schon Wilhelm ausgedeutet, vertiefen wir uns also in die Beziehung des mittleren Bruders (Wasser) zur jüngsten Schwester (See).

Wenn Wasser über See positioniert ist, hat quasi der halbwüchsige Bruder den Auftrag, das Nesthäkchen der Familie zu beaufsichtigen – nicht eben ein Traumjob für den Wasser-Sohn, der gerade mitten in der Pubertät steckt: die unschuldig-heitere Kindheit ist für ihn vorbei. Stattdessen stehen schwierige Entwicklungsaufgaben an: er muss sich von den Eltern ablösen, Selbstverantwortung übernehmen und ein unabhängiges Ich ausbilden. In diesem herausfordernden Prozess ringt er um sein Gleichgewicht und ist demgemäß oft unsicher, labil, gestresst und von düsteren Stimmungen umgetrieben. Das Schicksal hält für ihn Widerstände und Abgründe parat, doch auch Mysterien und Geheimnisse, die ihn immer tiefer in die Essenz des Lebens und das Rätsel seiner Seele einweihen.

Wie anders die jüngste Tochter, das See-Schwesterlein, das ihm hier anvertraut – und ausgesetzt ist. Man stelle sich ein fröhliches vierjähriges Kind vor, das noch an Weihnachtsmann und Klapperstorch glaubt, das von früh bis spät spielt, vor sich hinträumt und Geschichten erzählt. Das kleine See-Mädchen ist ein Gefühlswesen, zutraulich und von charmanter Naivität. Ihre Welt ist noch heil und in Ordnung, doch freilich auch oberflächlich, simpel und von Lust- und Unlustgefühlen dominiert. Von den dunklen Schatten, Tiefen und Untiefen, welche der Wasser-Bruder so hautnah kennt, hat sie keinen Schimmer.

Wollte der führende Wasser-Bruder ihr nun seine Wahrheit einfach überstülpen und sie brutal mit der Komplexität des Kosmos und den Abgründen des Lebens konfrontieren, wäre das für sie eine regelrecht traumatische Erfahrung … So steht der Wasser-Sohn vor einer verantwortungsvollen Aufgabe. Es ist leicht nachvollziehbar, dass ihm die Rolle des Kindergärtners nicht liegt, heißt das doch, dass er die Komplexität dessen, was er weiß und ihn bewegt, massiv reduzieren und EINSCHRÄNKEN muss, weil er das sensible See-Schwesterchen sonst verstören und überfordern könnte, mit der zu befürchtenden Konsequenz, dass ihre Stimmung bedenklich kippt – eben wie ein umkippender See. Die Botschaft, die er der Kleinen da bringt, passt ja nicht in ihr kindliches, noch von Mythen und Illusionen geprägtes Weltbild. Nun kann und soll Wasser das Kind nicht total verschonen, denn schließlich kann See davon ja auch profitieren, es darf nur eben nicht zu viel werden, und beide müssen in steter Fühlung mit dem rechten Maß und Moment bleiben: Es ist stets die Dosis, die das Gift bestimmt… Im Idealfall kann der unbedarfte See durch die Begegnung mit dem tiefen Wasser reifen und an eigener Tiefe dazugewinnen, im Worst-case-Szenario geht ihm seine identitätsstiftende Form verloren, und er dekompensiert.

Die Übertragung auf unser Thema liegt auf der Hand: Das I GING wirkt ja genau wie das rätselhafte Wasser, das aus kosmischen Gefilden herunterkommt und eine schicksalsschwangere Botschaft an den kindlich BESCHRRÄNKTEN Horizont der Menschheit heranträgt, an der sie wachsen und reifen soll. Wie das Wasser hat das I GING eine unauslotbare, unerschöpfliche Tiefe und schöpferische Bedeutsamkeit, die „nicht ohne“ ist, die auch herausfordert und gefährliche Entwicklungsaufgaben beinhaltet. Die Mehrheit der Menschen, das Kollektiv, ist eher wie der kleine See: offen und gutwillig, doch auch oberflächlich, reaktiv, leicht beeinflussbar und völlig ahnungslos, was die tieferen Zusammenhänge und Hintergründe angeht. Damit das vom Wasser verkörperte I GING nicht von einem überforderten, umgekippten See verunglimpft, mit Schlamm beworfen und angestänkert wird, muss es sich darauf BESCHRÄNKEN, wieviel der See jetzt im Moment gerade aufzunehmen bereit ist.

Nun gibt es in dieser Antwort auch eine Wandlungslinie, die anzeigt, dass die Situation nicht stagniert, sondern in Bewegung ist. Doch wenn sich nun die Yang-Linie 1 zu Yin umwandelt, dann wird See selbst zum Wasser! Damit findet ein radikaler Perspektivenwechsel statt. Wo See zuvor unbekümmert seinen Fantasien, Flausen und Zerstreuungen nachhing, da wird er heftig ernüchtert und erlebt nun am eigenen Leib, was Wasser ihm zuvor nur unter die Nase reiben konnte. Nun wird er in DAS ABGRÜNDIGE von #29 hineingespült – doch NICHT, um darin unterzugehen und zu ertrinken, sondern um schwimmen und tauchen zu lernen und um fortan über Stock und Stein vertrauensvoll mit dem Fluss des Lebens mitzufließen!

Die Hilfshexagramme

Abschließend kann man die innere Struktur des Hexagramms noch weiter analysieren mit Blick auf das zugehörige Kernhexagramm #27, das Schattenhexagramm #56 und das Hexagramm des Frühen Himmels #7:

Kernhexagramm #27, DIE ERNÄHRUNG verweist auf den Ursprung der Situation, nämlich die Frage, welcher Input förderlich ist und die Grundbedürfnisse unserer Seele stillt.

Das Schattenhexagramm #56, DER WANDERER deutet an, was fehlt, ignoriert wird und unterbleibt, nämlich der einsame Aufbruch – fort von einem überkommenen Lebensstil, heim zu den Wurzeln unserer Seele. Diese seelische Heimkehr führt immer durch eine schmerzliche Phase der Entfremdung und Heimatlosigkeit.

Das Hexagramm des Frühen oder vorweltlichen Himmels #7, DAS HEER schaut auf den verborgenen spirituellen Hintergrund der Frage, und dabei geht es um Führung, Gewappnet-Sein, um Standhaftigkeit im Angesicht eines Feindes!

Zusammenfassung

Bei der Mehrheit der Menschen haben sich spirituelle Ernährungsfehler etabliert, die einen Zustand von Hunger und Bedürftigkeit verursachen (#7). Bevor man zu neuen, erfüllteren Ufern aufbrechen kann, muss man sich zuerst von falschen Gewohnheiten abwenden, eine schwierige Ablösung, die jeder für sich allein bewältigen muss (#56). Vorerst allerdings fehlt es dazu bei den meisten noch an der rechten, aufrechten inneren Führung, welche Selbstvertrauen und Demut in sich vereint (#7).